Ernteverein - Geschichte ![]()
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Von Werner Kottmann (aus 850 Jahre Nortrup)
In früherer Zeit war das Ernteeinbringen eine schwere, mühevolle Arbeit. Nachdem Winter- und Sommergetreide abgeerntet waren, hatte die Landbevölkerung in der Regel ca. 14 Tage Zeit, ehe der Hafer geschnitten wurde. In dieser kurzen Erholungszeit wurde nachweislich bereits 1809 auf dem Hofe Meyer zu Farwick am zweiten Wochenende im August das Erntebier getrunken. Die gesamte Dorfgemeinschaft nahm daran teil. Ein Musiker sorgte für Unterhaltung und Stimmung. Da diese Gemeinschaft von allen geschätzt wurde, vereinbarte man, in jedem Jahr ein "Erntefest" zu feiern.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzten dann tiefgreifende wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen ein. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Dorfgemeinschaft zersplitterte. Auch das gemeinsame Erntebier wurde auf verschiedene Ortsteile verlegt. Im Jahre 1894 trafen sich jedoch bei Knobbe (heute Brundiers) Männer unserer Gemeinde, um zu überlegen, wie die alten überlieferten Erntebräuche wieder belebt werden könnten. Diese Männer waren: Dietrich Kemmlage, Gerhard Kemmlage, August Knobbe und Heinrich Kuhlmeyer. In ihren Köpfen setzte sich der Gedanke fest, ein Fest zur Erntezeit groß und attraktiv zu gestalten, woran alle Dorfbewohner teilnehmen könnten. In der Bevölkerung wurde tatkräftig für diese Idee geworben.
Im Herbst 1894, an einem Sonntagnachmittag, berief man eine Zusammenkunft in das Gasthaus Knobbe ein. Der Erntefestgedanke wurde mit großer Begeisterung aufgenommen und die Gemeinschaft nannte sich ab diesem Tag "Ernteverein Nortrup". Zu ersten Präsidenten wählte man Franz Schmidt. Weitere Vorstandsmitglieder wurden: Dietrich Kemmlage (Schriftführer), Theodor Möhlmann, Hermann Dobelmann, Bernhard Stottmann und Ferdinand Wrocklage (Beisitzer).
Seitdem wird am zweiten Augustsonntag in Nortrup das Erntefest gefeiert. Ein prächtiger Umzug bildet den Höhepunkt. Unter den Mitgliedern wird jährlich neu der Erntekönig ausgeschossen. Zielscheibe ist der "Ernteadler". Somit ist der Ernteverein Nortrup im Osnabrücker Land einzig in seiner Form, Art und Weise der Traditionsverbundenheit.
Leider wurde die Reihe der Erntefeste zweimal durch Kriege unterbrochen. 1914-1918 wurde infolge des Ersten Weltkrieges das Fest nicht gefeiert. 1934 erzwangen die Nationalsozialisten die Auflösung des Verein. Das Vereinsvermögen wurde zu gleichen Teilen an die katholische und evangelische Kirchengemeinde gegeben. An dieser Stelle gedenken wir der vielen Toten beider Weltkriege, unter ihnen viele Vereinsmitglieder.
1948, die Kriegsjahre verblaßten langsam, erinnerte man sich der Tradition der schönen Erntefeste. Am 31. Oktober erfolgte die Neugründung des Vereins durch folgende Personen: Hermann und Franz Bekermann, Ernst Brinkmeyer, Heinrich Buse, Alfons Frye, Heinrich Garwels, Heinrich Gieseke, Josef Hüdepohl, Georg Klaphake, Heinrich Kolde, Heinrich Kreiling, Gerhard Meyer, Reinhard Plagge, Theodor Renze, Josef Ruwe, Hubert Schulte, Josef Vogt und Heinrich von der Haar.
Auf der ersten Generalversammlung am 21 November 1948 wählte man in den Vorstand: Heinrich von der Haar (Präsident) - er war bereits vor der Zwangsauflösung Präsident gewesen - Ernst Brinkmeyer (stellv. Präsident), Reinhard Plagge (Schriftführer) und Josef Ruwe (Adjutant). Mit der Begeisterung ihrer Väter machten sie sich an den Wiederaufbau des Vereins. Das erste Erntefest wurde bereits wieder im Jahre 1949 gefeiert.
Die 1920 gestiftete Vereinsfahne und die Königskette hatten alle Stürme der Zeit überstanden. 1953 kam eine Königinnenkette dazu. Eine mächtige Erntekrone überragte erstmals den Festplatz und beherrscht ihn noch heute.
Ab 1963 ist am Erntefestsonntag das Kinderkönigschießen ein besonderes Ereignis. Viele junge Schützen stehen in der Reihe, um die Kinderkönigwürde zu erringen.
Um dem Verein bei offiziellen Anlässen ein einheitliches Bild zu geben, wurden 1976 Vereinsjacken angeschafft. Man entschied sich für das Blau der Kornblumen und das Gelb der Ähren.
Die Vereinsfahne, ein von Josef Wegener auf Tuch gemaltes Kunstwerk, wurde im Laufe der Jahre stark strapaziert. Um sie den nachfolgenden Generationen zu erhalten, schaffte der Ernteverein sich im Jahre 1977 eine in blau/gelb gehaltene neue Vereinsfahne an. Die feierliche Fahnenweihe fand am Erntefestsamstag durch die Ortsgeistlichkeit statt.
Zur Unterstützung und Vertretung des Erntekönigs wird ab 1980 jeweils am Festmontag ein "Kornkönig" ausgeschossen. Der "Adler" ist dann mit Früchten aus Feld und Garten dekoriert.
1982 errichtete der Verein über den Garagen beim Vereinswirt Antonius Brundiers eine vereinseigene Schießhalle. Durch die Hilfe vieler Mitglieder wurde das Bauvorhaben schnell verwirklicht. Zwei Jahre später gründete man eine Damenschießgruppe. Seitdem treffen sich die Schützinnen im 14-tägigen Rhythmus zum Übungsschießen und errangen im fairen Wettstreit schon manch schönen Pokal.
De wachsenden Mitgliederzahlen des Vereins, er zählt inzwischen über 600 Mitglieder, mag ein Zeichen daür sein, daß die Verbundenheit mit guten Traditionen und Gemeinschaftssinn in unserem Dorf noch lebendig ist.